Ingrd Ickler

Sprache. Text. Yoga.

Eine Heldinnenreise
Eine Heldinnenreise

Puh, was war das für ein Ritt! Gerade in diesen stillen Tagen zwischen den Jahren ist mir bewusst geworden, wie anstrengend die vergangenen Monate waren. Und ich habe gemerkt, dass ich und auch unsere Gesellschaft in der Bewältigung existenzieller Krisen nicht wirklich kompetent sind. Wenn es richtig schwierig wird, haben wir gute Verdrängungsmechanismen, aber Lösungsansätze, die auch die unangenehmen Gefühle mit einschließen, fallen uns schwer. Konflikte fallen uns schwer.

Spannend ist, dass diese Krisen in der Geschichte immer wiederkommen und es sie sogar in der Götterwelt gibt. Können wir nach mehreren tausend Jahren Menschheitsgeschichte kompetenter damit umgehen? So wie es aussieht, leider nicht.

Als Yogalehrende wanderte mein Blick im letzten Jahr oft in den indischen Götterpantheon. Intensiv kennengelernt habe ich ihn durch Workshops mit der wunderbaren Geschichtenerzählerin Diana Sans. Seitdem tauche ich, auch als Rationalistin, gerne in die ferne und mir doch nahe Welt der HeldInnen ein. Denn ich habe gelernt, dass all diese Wesen ein Teil von mir selbst sind und ich sie alle in mir trage. Wie auch in europäischen Märchen, begeben sich die indischen HeldInnen in ihren Mythen auf eine Heldenreise. Bei intensivem Nachdenken tauchte der Gedanke in mir auf, dass wir uns gerade alle auf einer solchen Heldenreise befinden. Wie genau sieht diese Reise aus?

Wir alle werden durch ein Problem aus unserem bekannten Umfeld gerissen, dem wir uns am Anfang aber verweigern. Doch dann müssen wir die Herausforderung annehmen, müssen uns Bewährungsproben stellen, große Qualen überstehen. Dann kommt die Vorbereitung auf den Rückweg, wir erleben eine Ruhephase, die Illusion, alles würde wieder wie früher. Aber ohne weitere Opfer kommen wir nicht zurück. Erst nach einem weiteren Opfer schaffen wir es in die „gewohnte“ Welt und können den Wandel annehmen.

Soweit die Theorie, in der ich mich aber auch mit meiner Lebenswirklichkeit wiederfinden kann, auch wenn ich mich so gar nicht heldinnenhaft fühle … Aber glücklicherweise heißt das auch, dass ich damit nicht alleine bin. Alle meine Gefühle sind wichtig und haben ihren Platz. Und dass fällt niemandem leicht.

Vielleicht ist diese Vorstellung für dich nicht so stimmig wie für mich. Dir wünsche ich für 2022, dass du, wie auch immer deine Reise aussieht, zumindest eine wichtige Etappe erreichst.